Matthias Böhm, stadtforum heft 2017


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Artikel für Stadtforum-Heft 2017 zur Mandaukaserne ZI (Stand 02.08.2017)

Sicherung und Nutzungspotenziale der Zittauer Mandaukaserne

Die Mandaukaserne in Zittau (Landkreis Görlitz) ist ein stadtbildprägendes, schlossartiges Gebäude am Martin-Wehnert-Platz. Da von hier wichtige Ausfallstraßen (Friedensstr. nach Polen/Tschechien und Südstr. ins Zittauer Gebirge) verlaufen, ist das Gebäude ein städtebauliches Bindeglied zwischen der historischen Innenstadt (innerhalb des sog. Grünen Rings), der Süd-Vorstadt (mit dem gerade sanierten Schlieben-Schulzentrum und der Gartenstadt „Heimstätten“) sowie unseren EU-Nachbarn. Nachfolgend soll aufgezeigt werden, wie durch bürgerschaftliches Engagement und eine nachhaltige Stadtentwicklung dieses bis vor kurzem noch akut gefährdete Denkmal zunächst gerettet werden konnte.

Geschichte und Architektur
1867 wurde Zittau ständige Garnisonsstadt. Bürgermeister Ludwig Haberkorn setzte sich für den Bau einer großen Kaserne für 1.200 Personen ein. Im April 1868 erfolgte die Grundsteinlegung nahe der Mandau. Im Oktober 1869 konnte die Mandaukaserne bezogen werden.

Errichtet wurde das Gebäude von Stadtbaumeister Emil Trummler im byzantinischen Stil (kleiner Exkurs: Wenn Pegida, AfD & Co das „Christliche Abendland“ retten wollen und den Bau neuer Moscheen bekämpfen: Welches Schicksal droht einem byzantinischen Gebäude bei einem Wahlsieg der AfD? „Multikulti-Experimente“ gehörten also schon immer zu Deutschland!). Der 125 m lange Mittelbau weist zwei nach hinten ragende Seitenflügel und zwei oktogonale Türme mit Zinnen auf. Ursprünglich besaß auch der Mittelbau Zinnen. (hier hist. Aufnahme einfügen)

Nach dem verlorenen 1. Weltkrieg wurde das Regiment 1919 aufgelöst und ab 1920 erfuhr die Mandaukaserne eine Wohnnutzung. Ab 1963 wurde das Gebäude von der örtlichen Offiziersschule genutzt. 1990 erfolgte die Übertragung auf die Stadt Zittau, 1994 ging das Haus an den Freistaat Sachsen, der es schließlich versteigerte. Zuletzt wurde die Mandaukaserne zu Wohnzwecken und von der Stadtverwaltung/Wohnbaugesellschaft genutzt, ab 1997 steht sie leer.

Notsicherung
Während der bis 2015 amtierende Zittauer Oberbürgermeister und sein 2014 ohne Nachfolger in den Ruhestand gegangener Baubürgermeister dem zunehmenden Verfall der Mandaukaserne tatenlos zusahen, packte der neue OB Thomas Zenker das Problem an und bemühte sich um Fördermittel für einen Abriss (90 % Förderung). Das Baudezernat wies mit einem externen „Statikgutachten“ (nach erzwungener Einsichtnahme durch den Verfasser sind die Anführungszeichen berechtigt!) eine akute Einsturzgefahr für den Südturm nach. Die Stadtverwaltung veranlasste eine halbseitige Sperrung der Südstr. und drohte auch mit einer Schließung der Ausfahrt des benachbarten Bus-Depots (was den Zusammenbruch des ÖPNV im Süden des LK Görlitz bedeutet hätte!). Die Absperrungen erfolgten unter der Annahme, dass der Turm sich vom Gebäude lösen und im rechten Winkel auf die Straße stürzen würde. Nun besitzen achteckige Hohlkörper aber eine relativ hohe Biegesteifigkeit. Wahrscheinlicher wäre wohl, dass der Turm – wenn überhaupt – in sich zusammengefallen wäre…

In der Bevölkerung regte sich zunehmend Widerstand gegen die Abrisspläne – mit induziert durch eine Veranstaltung am 11.12.2015 in der Zittauer Schauburg (ein ehemaliges Kino, das auf Initiative des Stadtforums Zittau durch bürgerschaftliches Engagement bereits erfolgreich gerettet werden konnte) vom bündnisgrünen Landtagsabgeordneten Wolfram Günther: Tenor der Veranstaltung war, dass es für ortsungebundene UnternehmerInnen durchaus auch in sog. strukturschwachen Regionen Bedarf für Büro- oder Werkstatträumlichkeiten in einem eher „rustikalen“ Ambiente geben kann (in Leipzig sind derartige Objekte inzwischen komplett belegt). Auch im Stadtrat kippte die Stimmung pro Abriss, sodass der OB von der Rückbauförderung absah.

Parallel startete das Stadtforum Zittau eine beispiellose Rettungsaktion für den Südturm: Nach Einholung der Zustimmung des Verwalters der Erbengemeinschaft der Mandaukaserne begann am 11.12.2015 die Einrüstung des Turms. Die Ursache der Gefährdung: Das Dach des Turms wird durch eine innenliegende Ringleitung entwässert, die undicht geworden war. Regenwasser lief im Innern des Turms herunter und ließ die oberen Holzbalkendecken verrotten, sodass sie teilweise durchbrachen. Durch das Stadtforum wurden die bestehenden Schäden umfassend repariert. Die Einrüstung des Südturms wurde gleich genutzt, um ihn neu zu verputzen und mit einem neuen Anstrich zu versehen – natürlich abgestimmt mit dem Denkmalschutz.

Finanziert wurde die Rettungsaktion des Südturms durch eine Spendenaktion, einem erheblichen Einsatz von Eigenmitteln von Thomas Göttsberger, einem der führenden Köpfe des Stadtforums Zittau, und ehrenamtlichen Arbeitseinsätzen. So verzichteten einige lokale Handwerksbetriebe auf ihre Bezahlung. Am 26.01.2016 übergab Wolfram Günther symbolisch einen Scheck der Leipziger Denkmalstiftung über 1.500 € für die Notsicherung des Südturms. Die Gesamtkosten dieser Notsicherung beliefen sich auf 40.000 €. (hier Foto vom eingerüsteten Südturm einfügen)

Durch das schadhafte Dach im Nordflügel verschlechterte sich der Gesamtzustand dieses Flügels rapide, der Flügel war akut einsturzgefährdet. Darum schloss sich im Zeitraum November 2016 bis Februar 2017 die Sicherung des Nordflügels an. Endlich gab es eine Förderung durch den Landkreis aus Denkmalschutzmitteln: 82.000 € wurden vom Landkreis Görlitz ausgereicht. Den Eigenanteil der 111.000 € Gesamtkosten trug wiederum Thomas Göttsberger vom Stadtforum Zittau. Durchgeführte Maßnahmen waren: Decken- u. Dachbalken erneuert, Dachdeckung erneuert, Mauerwerk ausgetauscht, über 50 Dach-Schadstellen geflickt. (hier Foto vom offenen Dach Nordflügel einfügen)

Nachhaltige Stadtentwicklung ist praktischer Denkmalschutz!
Der Zittauer OB griff diese Aufbruchstimmung bei der Mandaukaserne in mehrfacher Hinsicht auf: Mit Billigung des Stadtrates (fast einstimmig!) bewarb sich die Stadt zweimal für eine Aufnahme in das neue Bundes-Förderprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“. Während die erste Bewerbung vom 31.03.2016 noch erfolglos blieb, führte die in einer Eil-Stadtratssitzung am 30.11.2016 verabschiedete Bewerbung mit dem konkreten Nutzungskonzept „Forum Mandau“ Anfang März 2017 zu einer Zusage über 4 Mio. € Fördermittel. Das Konzept sieht als wesentliche Nutzungskomponenten den Teilumzug der Hochschule Zittau/Görlitz in die Mandaukaserne und den Neubau einer 3-Feld-Sporthalle (auch als Multifunktionshalle nutzbar) hinter dem Gebäude vor. Für den Schul- und Vereinssport fehlen in Zittau Hallenkapazitäten, insbesondere für das von der Stadt aufwendig umgebaute ehemalige Gymnasium (Gründerzeitgebäude) direkt auf der anderen Seite der Mandau, das jetzt als Schlieben-Schulzentrum Grund- und Oberschule enthält.

Parallel versuchte die Stadt Zittau, auch planungsrechtlich Pflöcke einzuschlagen, um so die in ihrem SEKO postulierten Verlagerungen von öffentlichen Einrichtungen aus dem sog. Armeegelände („auf der grünen Wiese“) in die Innenstadt voranzubringen: Im Januar 2017 wurde vom Stadtrat die Aufstellung eines B-Planes „ehemaliges Armeegelände“ beschlossen. Für die im Bereich des B-Planes liegenden Grundstücke wäre eine Weiterentwicklung nicht mehr möglich. Mit der Aufnahme des Grundstückes von “Haus 7” der Hochschule in den Geltungsbereich des B-Planes setzt die Stadt ein wichtiges Zeichen in Richtung Freistaat Sachsen, einen Umzug in die Mandaukaserne zu veranlassen. (hier Karte B-Plan Armeegelände einfügen)

Mit einem Änderungsantrag seiner Fraktion versuchte der Verfasser, die Aufnahme des Landratsamtsgrundstückes in diesen B-Plan zu erreichen, um auch ein solches Zeichen in Richtung Landkreis zu setzen. Panikmache der CDU-Stadtratsfraktion, der Landrat (übrigens auch CDU-Mitglied) könne dies zum Anlass nehmen, die Zweigstelle seines Landratsamtes in Zittau ganz zu schließen, führte leider zu einer breiten Ablehnung des Änderungsantrages.

Seitens der Eigentümergesellschaft war geplant, die Mandaukaserne Mitte November 2016 an einen Geschäftsmann aus Namibia zu verkaufen. Die Stadt Zittau hatte das ihr eingeräumte Vorkaufsrecht zum Erwerb der Mandaukaserne nicht in Anspruch genommen, ein zwischenzeitlich aufgetretener Investor zeigte vor der Fördermittelzusage auch kein Kaufinteresse und war zu einer denkmalgerechten Sanierung der Mandaukaserne nicht bereit. Da das Stadtforum Zittau kein Verein und deshalb nicht rechtsfähig ist, hat sich Thomas Göttsberger dazu entschlossen, die Mandaukaserne selbst zu erwerben. Dies ist am 14.11.2016 erfolgt. Damit ist jetzt gewährleistet, dass Entscheidungen zur Mandaukaserne regional vor Ort und nicht von einem anonymen Investor getroffen werden. Derzeit wird an der Konzepterstellung gearbeitet. Daneben läuft die Mieterakquise. Das Gebäude soll denkmalgerecht und substanzschonend umgebaut werden.

Stadtrat Matthias Böhm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN),
Mitglied des Stadtforums Zittau

Kontakt Stadtforum Zittau: stadtforum-zittau@web.de